Einkommensarmut, niedrige Bildungsabschlüsse, teilweise geringe Deutschkenntnisse, Migration und Fluchterfahrung – viele Familien mit Kindern in sozial benachteiligten Stadtteilen leben mit diesen Herausforderungen. Hier setzt der Forschungsverbund Schule macht stark (SchuMaS) an und arbeitet längerfristig mit Schulen an diesen Standorten.

Von Melanie Biskup

Aus dem Alltag einer Schule: Da ist Baschar aus Syrien, der mit den Matheaufgaben noch überfordert ist. Lukas gibt oft schnell frustriert auf. Nele hat ihre Aufgaben schon nach fünf Minuten fertig, und Hannah kann sich so lange gar nicht konzentrieren. Darja aus der Ukraine lernt erst noch Deutsch.

Lernen unter diesen Voraussetzungen ist an vielen Schulen an der Tagesordnung. Insbesondere in „sozialräumlich benachteiligten Lagen“ – wo viele Menschen staatliche Hilfen erhalten, in vielen Familien die Herkunftssprache gesprochen wird und die Kinder Deutsch erst in der Schule lernen. „Wir unterrichten an unserer Schule derzeit Kinder mit 20 unterschiedlichen Nationalitäten plus 20 Kinder mit Inklusionsbedarf. Das ist eine Herausforderung, die mit viel Verantwortung einhergeht“, berichtet auch Andrea Martini-Heckhoff, Leiterin der Gerhart-Hauptmann-Grundschule in Duisburg.

Wie können Lehrkräfte ihre Schüler:innen besser dabei unterstützen, gut lesen, schreiben und rechnen zu lernen, und zugleich die soziale und emotionale Entwicklung fördern? Das ist eine der Fragen, auf die der 2021 gestartete Forschungsverbund Schule macht stark – SchuMaS Antworten finden will. Als Universität mit langer Tradition im Feld der Bildungsforschung gehört die UDE mit zu den 13 Projektpartnern (siehe Infokasten).

Das Besondere: SchuMaS ist nicht nur das bislang größte Projekt zur Unterstützung von Schulen in sozial benachteiligter Lage – es läuft bundesweit und erhält 125 Mio. Euro Förderung.  Es unterscheidet sich von anderen Initiativen auch dadurch, dass Schulpraxis und Wissenschaft eng verzahnt sind. 200 Schulen sind beteiligt, darunter auch die Schule von
Martini-Heckhoff.

Das Interdisziplinäre Zentrum für Bildungsforschung (IZfB) an der UDE ist Teil des Forschungsverbunds. „Unter dem Dach des IZfB arbeiten wir an einem von vier regionalen SchuMaS-Zentren in einem Team aus Bildungs-, Gesellschafts- und Geisteswissenschaften sowie der Mathematik eng zusammen. Durch die unterschiedlichen Perspektiven können wir die Schulen besser begleiten, aber auch gemeinsam Forschungsfragen angehen“, erläutert Dr. Susanne Farwick, die als Erziehungswissenschaftlerin Teil des regionalen SchuMaS-Zentrums im IZfB ist. Seit 2021 begleitet das Zentrum rund 60 Schulen in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

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WO DER SCHUH DRÜCKT

Der Forschungsverbund hat zusammengetragen, welche Herausforderungen besonders dringlich sind. Die Schulleitung ist dabei vor allem gefragt: Welche Strukturen und Prozesse muss sie schaffen, damit sich Lehrkräfte, Sozialarbeiter:innen, Psycholog:innen und Ehrenamtliche effektiv austauschen können? Wie kann sie schulspezifische Visionen entwickeln, Ziele definieren und klar an das Kollegium kommunizieren bzw. dieses dabei mitnehmen?

Ein zweiter Schwerpunkt liegt bei den Lehrkräften selbst: Wie können sie lernen, besser mit Stress und Druck umzugehen? Was kann in herausfordernden Situationen hilfreich sein? Und wie können sie ihre Schüler:innen noch besser beim Lernen unterstützen?

Der dritte Schwerpunkt berücksichtigt das außerschulische Umfeld: Wie können Schulen sinnvoll mit Einrichtungen ihres Umfelds kooperieren, zum Beispiel mit Bildungs- und Kultureinrichtungen, Vereinen oder Migrant:innenverbänden? Wie kann die Zusammenarbeit mit Familien gezielt gefördert werden?

EXPERIMENTIEREN MIT SYSTEM

Damit all dies gelingt, bringen die Wissenschaftler:innen des regionalen SchuMaS-Zentrums die teilnehmenden Schulen regelmäßig zusammen: „Durch die Vernetzung der Schulen ermöglichen wir einen Austausch über gemeinsame Herausforderungen, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Eltern“, berichtet Farwick. „Wenn Eltern nicht in die Schule kommen, schauen wir uns an, welche Gründe dahinterstecken können, und entwickeln Lösungen, um Eltern künftig besser zu erreichen.“ Je nach Entwicklungsfeld können die Schulen über das Netzwerk hinaus an unterschiedlichen Fortbildungsangeboten oder Werkstätten teilnehmen sowie ihre Entwicklungsarbeit in einem „virtuellen SchuMaS-Raum“ vertiefen.

Die für Sommer 2023 geplante Zwischenerhebung wird zeigen, inwiefern sich in den Schulen schon etwas verändert hat. Martini-Heckhoff und ihr Team verbinden mit dem SchuMaS-Projekt bisher vor allem ein Gefühl der Entlastung: „Es ist erleichternd, dass die Daten der Wissenschaft häufig das belegen, was wir alle intuitiv im Schulalltag wahrnehmen und tun. Die kontinuierliche Begleitung hilft – nach Corona und trotz permanenten Personalmangels –, uns wieder mehr auf die Unterrichtsgestaltung zu konzentrieren.“

SCHULE MACHT STARK – SCHUMAS

Der Forschungsverbund wird seit 2021 mit 125 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für zunächst fünf Jahre gefördert und besteht aus 13 wissenschaftlichen Einrichtungen. Die UDE ist mit den vier Fakultäten Bildungs-, Geistes-, Gesellschaftswissenschaften und Mathematik an den Inhaltsclustern Schulentwicklung & Führung sowie Außerunterrichtliches Lernen & Sozialraumorientierung beteiligt; auch die Nachbaruniversitäten in Bochum und Dortmund kooperieren. Darüber hinaus ist das Interdisziplinäre Zentrum für Bildungsforschung (IZfB) der UDE für eines der vier regionalen SchuMaS-Zentren verantwortlich, das die beteiligten Schulen betreut. Drei weitere Zentren befinden sich in Berlin, Frankfurt am Main und Mannheim. Die Wissenschaftliche Leiterin des regionalen SchuMaS-Zentrums Duisburg-Essen ist Prof. Dr. Isabell van Ackeren-Mindl.

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