Deutschland soll Wasserstoffrepublik werden, und das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik ist hierbei ein Dreh- und Angelpunkt. Nicht nur die Wirtschaft an Rhein und Ruhr profitiert. Von David Huth

Joachim Jungsbluth betritt sein improvisiertes Büro im Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) am Duisburger Campus. Seinem Schreibtisch gegenüber steht eine Küchenzeile, an der sich eine Kollegin einen Tee kocht. Platz ist zurzeit Mangelware am ZBT und der Preis für den rasanten Erfolg.

Der Ingenieur nimmt’s gelassen. Er ist Handlungsbevollmächtigter des ZBT für den Aufbau des neuen Technologie- und Innovationszentrums für Wasserstoff. Im Mai bekam es seinen neuen Namen: The Hydrogen Proving Area, kurz: TrHy (gesprochen wie das Englische „try“), und es entsteht auf dem Gelände der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) im Duisburger Süden. Dort hat Jungsbluth ebenfalls ein Büro. Ganz für sich allein.

„Wir arbeiten seit 20 Jahren darauf hin, dass Wasserstoff zur Schlüsseltechnologie wird“, erklärt der Experte. Er hatte allerdings wie viele am ZBT an einen früheren Durchbruch geglaubt. Erst als die Energiewende ausgerufen wurde, rückte Wasserstoff in den Fokus von Politik und Wirtschaft. Nun soll er langfristig fossile Brennstoffe ersetzen und als Speicher für erneuerbare Energien dienen. Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff macht es möglich, CO2-Emissionen zu senken – vor allem in Industrie und Verkehr.

Wasserstoff ist eine Hochtechnologie

Technologisch ist noch nicht alles verstanden, um Grünen Wasserstoff großflächig einzusetzen und Produkte weiterzuentwickeln. Der Grundlagenforschung kommt daher auch eine wichtige Rolle zu. Wo bekommen wir den Wasserstoff her? Wo speichern wir ihn? Wie verteilen wir ihn? Antworten auf solche Fragen sucht – und findet – Dorothee Lemken; sie ist am ZBT Wissenschaftlerin in der Abteilung „Wasserstoff-Infrastruktur“. Diese hat zum Beispiel untersucht, wie sich Wasserstoff grenzüberschreitend auf dem Rhein befördern lässt. „So ist die wirtschaftlich sinnvollste Variante, ihn auf den Schiffen in Wechselcontainern zu bunkern. Solche Behälter lassen sich schnell zwischen Transportfahrzeugen tauschen, und der Inhalt muss auch nicht umgeladen werden“, sagt die 53-Jährige.

Dorothee Lemken forscht zu Fragen der Infrastruktur für Wasserstoff. © Foto: Duisburg ist echt / Duisburg Kontor GmbH

Das Zentrum für BrennstoffzellenTechnik

Das ZBT ist eine hundertprozentige Tochter der Universität Duisburg-Essen und aus den Bereichen Maschinenbau, Energietechnik und der Elektrotechnik hervorgegangen. Als 2003 der Instituts-Neubau eingeweiht wurde, hatte das Zentrum knapp 25 Mitarbeitende. Heute sind es 150. Das ZBT ist mit Produktions- und Testanlagen, chemischen Laboren und High-Tech-Analytik auf 2.000 Quadratmetern eines der international führenden Institute in der Brennstoffzellen-Forschung. Mehr als 20 Jahre hat Prof. Dr. Angelika Heinzel als wissenschaftliche Leiterin und Geschäftsführerin das ZBT geleitet und mit ihrer Arbeit maßgeblich zum Erfolg beigetragen. 2021 hat Prof. Dr. Harry Hoster ihre Nachfolge angetreten.

Ein anderer wichtiger Bereich am ZBT beschäftigt sich mit der Güte des neuen Energieträgers. Das Labor für Qualitätsanalyse ist einzigartig in Europa, denn hier können kleinste Fremdbestandteile nachgewiesen werden: „Wasserstoff ist nämlich nicht gleich Wasserstoff “, erklärt Jungsbluth. Für den Einsatz in einer Brennstoffzelle in einem Auto oder Bus muss er beispielsweise reiner sein als in der Stahlindustrie. Das liegt an den Temperaturen, mit denen er „verbrannt“ wird. Diese sollten 85 °C im Automobilbereich allerdings nicht überschreiten, für die Nutzung an Hochöfen sind erheblich höhere Temperaturen notwendig.

Die innovative Forschung am ZBT ist international bekannt. Folgerichtig hat das Bundesverkehrsministerium im Herbst 2021 das An-Institut der Uni zu einem von bundesweit nur vier Standorten für ein nationales Wasserstoff-Zentrum gekürt. Vom Bund soll das TrHy mit 60 Millionen Euro gefördert werden, das Land gibt noch einmal 50 Millionen Euro dazu. Bis 2025 wird damit in Duisburg ein Hotspot der Wasserstoff-Wirtschaft entstehen, an dem sowohl namhafte Industriepartner wie Rheinmetall und HKM als auch die RWTH Aachen und das Forschungszentrum Jülich beteiligt sind. So trifft sich in Duisburg künftig das Whois Who der Wasserstoff-Forschung und -Industrie. Neue Firmen dürften sich ansiedeln, Arbeitsplätze entstehen.

Joachim Jungsbluth © Foto: JRF/ZBT

Einzigartige Teststände

„Mit TrHy wollen wir bestehende Lücken füllen, um den Markt für Wasserstoff schnell hochzufahren“, bekräftigt Jungsbluth und nickt zwei Kollegen zu, die sich am Kaffee bedienen. Forschung und Entwicklung sollen bei den Partnern stattfinden, das TrHy übernimmt im großen Maßstab den Realitäts-Check: „Will man eine Wasserstoff-Wirtschaft aufbauen, muss man Produkte in einer geeigneten Umgebung testen“, so der 53-Jährige.

Wie so etwas aussehen kann, weiß das ZBT bereits: Das Testfeld vor dem Gebäude ist in Europa einmalig; hier lassen sich alle technischen Abläufe und Handgriffe analysieren und kontrollieren, die künftig an Wasserstoff-Tankstellen anfallen – Sicherheit hat Priorität. Dort können etwa Dispenser, also Zapfsäulen für Wasserstoff, auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden. Verschiedene Speicher arbeiten mit unterschiedlichem Druck. Mit dem Maximum von 900 bar können bisher PKW schnellbetankt werden, während der Druck für die Befüllung von LKW noch bei weniger als der Hälfte liegt. Künftig soll die Technologie so verbessert werden, dass Lastwagen und Busse in kurzer Zeit mit großen Mengen versorgt werden können.

Auch an der Etablierung von Regeln und Normen für Wasserstoff soll in der Halle auf dem HKM-Gelände gearbeitet werden. Aus- und Weiterbildung sind ein weiterer Baustein im Konzept. Denn bei vielen Berufsgruppen, die künftig mit Wasserstoff zu tun haben werden, hat der Energieträger bislang keine große Rolle gespielt. Das neue Wasserstoff-Bildungszentrum ist als Gemeinschaftsprojekt direkt neben TrHy geplant. Partner sind ZBT, Kraftwerksschule Essen (KWS), Stadt und Hafen Duisburg.

Dass in seiner Heimatstadt Großes passiert, ist für Joachim Jungsbluth folgerichtig. „Sie ist in Europa größter Stahlstandort und
hat auch den größten Binnenhafen. Sie hat sich als internationale Logistikdrehscheibe einen Namen gemacht mit einer guten Anbindung ans Wasser-, Straßen- und Schienennetz. In Sachen Wasserstoff führt also auch künftig kein Weg mehr an Duisburg vorbei.“