Neue Perspektiven auf den Klimawandel.

Von Katrin Koster

Unsere Zukunft – Endzeitszenario oder Heldengeschichte? Geht es in literarischen Texten, Essays oder Social-Media-Posts um den Klimawandel, wird mit starken Vorstellungen gearbeitet. Sie sind einprägsamer als mathematische Modelle. Diese Texte nimmt nun das kulturwissenschaftliche Forschungsprojekt Just Futures? An Interdisciplinary Approach to Cultural Climate Models unter die Lupe. Es wird für drei Jahre mit 750.000 Euro gefördert und ist an der UDE, den Universitäten Köln, Klagenfurt, Leeds und Sheffield angesiedelt.

Das Projekt wird als länderübergreifendes Projekt der Spitzenforschung vom britischen Arts and Humanities Research Council (AHRC) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Es belegt, wie produktiv interdisziplinäre geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Ansätze sind – indem es abseits abstrakter Ergebnisse hinterfragt, welche Vorstellungen und Szenarien für Klimazukünfte es in den Medien gibt. Ein solcher Blickwinkel wird – angesichts der dominierenden mathematischen Berechnungen – von Forschenden seit Längerem gefordert.

Literaturwissenschaft, Linguistik, Mediensoziologie, Science and Technology Studies und Fachdidaktik arbeiten zusammen. Diese Disziplinen analysieren, wie sich Textarten zwischen deskriptiven Aussagen zum Klimawandel und richtungsweisenden Folgerungen bewegen. Untersucht werden Romane, Theater- stücke, Essays, Posts in sozialen Medien sowie Lehrmaterialien insbesondere der letzten zehn Jahre.

„Ein vieldiskutierter Roman ist etwa Kim Stanley Robinsons Das Ministerium für die Zukunft, erschienen 2020. Er beginnt mit einer Hitzewelle im Jahr 2025, an der Millionen Menschen sterben, und beschreibt bis in die 2050er-Jahre, wie es gelingt, eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen. Ein Roman ist dabei nicht einfach eine Handlungsanweisung, die nur sagt, wie es geht. So funktioniert Literatur nicht“, erklärt Prof. Dr. Jens Martin Gurr aus der Anglistik. „Es ist vielmehr ein Gedankenexperiment, das Handlungsoptionen durchspielt – darunter auch illegale –, ohne Partei zu ergreifen. Auch wenn ein solcher Text also eher fragt, was passieren könnte, als zu zeigen, was genau passieren muss, schafft er doch die für die Klimakommunikation so wichtige Verbindung aus Dringlichkeit und Zukunftshoffnung.“

Gurr erforscht, wie Narrative in öffentlichen Debatten wirken. Ein zweiter Schwerpunkt ist die interdisziplinäre kulturwissenschaftliche Modelltheorie, die bei diesem Projekt als zentrale Klammer dient: „Wir untersuchen, wie Texte als alternative Modelle funktionieren, um eine komplexe Realität anders zu beschreiben, als naturwissenschaftliche Modelle das können“, sagt der Literaturwissenschaftler. Dabei seien Modelle immer Modelle von etwas, also vereinfachende Realitätsbeschreibungen, und Modelle für etwas seien in die Zukunft gerichtete Szenarien oder gar Handlungsanweisungen.

DREI TEILPROJEKTE

Im Fokus steht die Generationengerechtigkeit: Wie können wir heute gut leben, ohne Jüngeren die Zukunft zu verbauen? Wie werden intergenerationelle Debatten in den sozialen Medien geführt und in Literatur inszeniert? Wie wird über diese Texte diskutiert, und wie unterscheiden sich diese Diskussionen von Rezensionen im Feuilleton? Drei Teilprojekte untersuchen ent- sprechende Debatten in 1. englischsprachigen Dramen und Essays, 2. in sozialen Medien und 3. in der Literaturrezeption und -vermittlung.

Dabei wird beachtet, dass diese Genres nicht denselben Konventionen folgen und unterschiedlich funktionieren. Ein Roman inszeniert Klimazukünfte anders als etwa ein Essay – und noch einmal anders wirken Posts in sozialen Medien.

Wie tragen die Genres zu einem generationengerechten Umgang mit dem Thema bei, wenn sie neue Vorstellungen mitentwickeln? Wie verhandeln sie Generationenkonflikte? Und wie können die Ergebnisse und Modelle auch für andere Disziplinen anwendbar sein? Eine künstlerische Website (www.cultural-climate-models.org) begleitet den Prozess, dokumentiert Ergebnisse und wirkt als Medium für die verschiedenen Zielgruppen.

Titelbild: © AG Gurr