Die wichtigsten Neuigkeiten in der Übersicht.

RIESENSCHRAUBEN UND ARENA-DÄCHER

Seilbahnen, Hochsee-Bohrinseln, Windräder, die Arena auf Schalke und das Tropenhaus im Essener Grugapark: Sie gehören zu den vielen Referenzen zweier neu akkreditierter Prüflabore am Institut für Metall- und Leichtbau. Das Essener Labor für Leichte Flächentragwerke (ELLF) und das Essener Labor für Stahlbau (ELSta) arbeiten weltweit und prüfen sowohl produktionsbegleitend als auch im Schadensfall. Spezialisiert auf Tragwerke aus Membranen und Folien sowie geschraubte Verbindungen im Stahlbau haben sie deutschlandweit kaum Konkurrenz. Als darüber hinaus selbst forschende Labore an einer Universität sind sie hierzulande in ihren Fachgebieten sogar einzigartig.

„Wird irgendwo ein neues Sportstadion gebaut, etwa für Olympische Spiele, geht dessen Dachkonstruktion wahrscheinlich durch unser Labor“, berichtet Institutsleiterin Prof. Natalie Stranghöner.

Im ELLF forscht ihr Team selbst an Materialien für diese Membranen, zudem untersucht es bestehende Gewebe für Großprojekte: Witterungsbeständigkeit, Reißfestigkeit und Steifigkeit sind nur einige der Parameter, die analysiert werden. Im ELSta liegt der Schwerpunkt auf geschraubten Verbindungen. Besonders stolz ist das Team auf seinen Anziehprüfstand für mechanische Verbindungsmittel, denn er ist der größte an einer Universität in Deutschland. Mit ihm lassen sich hochfeste Schrauben bis zu 80 mm Durchmesser (z.B. für Windkraftanlagen) prüfen: vom Werkstoff selbst über Beschichtungen und Schmierstoffe bis hin zur richtigen Montage.

Zugversuch an einer Membran. | © UDE/Dominik Jungbluth
DAMIT TRANSPLANTIERTE NIEREN LÄNGER LEBEN

Per App und Künstlicher Intelligenz sollen Komplikationen nach einer Nierentransplantation künftig schneller erkannt werden. Das Projekt, das die Lebensdauer von Organtransplantaten verlängern will, startet jetzt am UK Essen, in Berlin und Erlangen (Projektleitung). Das Konsortium wird mit 5,7 Mio. Euro aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert, davon erhält die Medizinische Fakultät der UDE knapp 1,1 Mio. Euro.

15 Jahre – so lange arbeitet eine Spenderniere durchschnittlich. Digital überwacht kann nicht nur die Lebensdauer der Organe verlängert werden, auch die Nachsorge von Transplantierten soll verbessert werden.

Eine Smartphone-App ermöglicht den Austausch von Gesundheitsdaten mit Transplantationszentren und Fachärzt:innen, erinnert an die Medikamenteneinnahme und erfasst täglich das Wohlbefinden der Patient:innen sowie ihre Vitalparameter. Die neue Versorgungsform richtet sich an Betroffene im ersten Nachsorgejahr und wird in den Nierentransplantationszentren in Essen, Erlangen und Berlin angeboten.

Die übermittelten Gesundheitsdaten werden KI-gestützt ausgewertet und von Telemedizin-Teams beobachtet, die bei Auffälligkeiten sofort handeln. „So können Transplantatverlust, Morbidität, Mortalität und auch die Versorgungskosten langfristig verringert werden“, sagt UDE-Nierenspezialist Prof. Lars Pape. Die computergestützten Auswertungen übernimmt das Team vom Institut für Künstliche Intelligenz in der Medizin (IKIM).

NACHHALTIGE MAGNETE

Leistungsstarke Magnete können kühlen, wärmen und Strom erzeugen. Ein Verbund unter UDE-Leitung erforscht neue magnetische Werkstoffe, die effizient und umweltverträglich sind. Um sie herzustellen, werden meist Seltene Erden genutzt. Im Projekt PUMA (PUlsed high MAgnetic fields for new functional magnetic materials) wollen die Forschenden hocheffiziente Magnete entwickeln, die möglichst ohne kritische Rohstoffe auskommen. Das Bundesforschungsministerium fördert PUMA mit 2 Mio. Euro. „Wir konzentrieren uns zum einen auf Permanentmagnete. Diese haben einen maximal hohen Wirkungsgrad und werden z.B. für die Elektromobilität eingesetzt oder in Generatoren für Windkraftanlagen“, erklärt Physiker und Projektleiter Prof. Heiko Wende (UDE). „Zum anderen erforschen wir neue Materialien, die ihre Temperatur ändern können, sobald sie einem magnetischen Feld ausgesetzt sind. Dieses Phänomen zur festkörperbasierten Kühlung wollen wir als klimafreundliche Alternative zur konventionellen Gas-Kompressionskühlung einsetzen.“ An der europäischen Experimentierstation ESRF (European Synchrotron Radiation Facility) in Grenoble wird der Verbund an einem Strahlrohr ein neues gepulstes Hochfeldsystem aufbauen. Damit sollen Magnetfelder mit mehr als 50 Tesla erzeugt werden – das entspricht dem Millionenfachen des Erdmagnetfelds. So lassen sich die Wechselwirkungen analysieren, die für die Funktion der magnetokalorischen Materialien wesentlich sind. Partner im Projekt sind die Technische Universität Darmstadt und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Blick von oben auf die European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble. | © ESRF /P. Jayet
ERC STARTING GRANT FÜR INFORMATIKER

Digitale Verträge – Smart Contracts – werden verwendet, um Aktionen automatisch auszuführen, wenn vorbestimmte Vertragsbedingungen erfüllt sind. Das macht sie anfällig für Hacker-Angriffe. Prof. Lucas Davi vom UDE-Softwaretechnik-Institut paluno entwickelt Lösungen, um Sicherheitslücken bereits bei der Programmierung zu schließen. Dafür hat er einen mit 1,5 Mio. Euro dotierten Starting Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) erhalten.

Kryptowährungen basieren auf Smart Contracts – also intelligenten Abkommen, in denen die Bedingungen eines digitalen Vertrags in eine stetig erweiterbare Liste (Blockchain) eingebunden und automatisch ausgeführt werden können. Künftig sollen auch Immobiliengeschäfte, Lizenzvergaben, die Prüfung von Lieferketten oder die Steuerung von Produktionsabläufen über Smart Contracts abgewickelt werden.

Demzufolge wächst auch in Hacker-Kreisen das Interesse an Smart Contracts. „Die Programme sind permanent online, und sobald eine Schwachstelle im Code entdeckt wird, kann sie leicht ausgenutzt werden“, berichtet Davi. Sein Ziel: bis 2027 ein erstes ganzheitliches Schutzkonzept realisieren. „Die Software soll Programmierfehler schon in der Entwicklungsphase aufdecken und automatisch beheben. Cyberangriffe auf Smart Contracts und laufende Transaktionen soll ein neues Monitoring-Werkzeug erkennen und abwehren, bevor größerer Schaden entsteht.“

NEUES NATIONALES ZENTRUM FÜR TUMORERKRANKUNGEN

Das von den Universitätskliniken Essen und Köln getragene Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) West zählt seit Februar zu den bundesweit sechs festen Standorten des Forschungszentrums. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg war die vom Land unterstützte Gründung des Cancer Research Centers Cologne Essen (CCCE), das als exzellentes Krebsforschungszentrum seit 2020 mit 20 Mio. Euro gefördert wird.

Das NCT besteht aus den Standorten Berlin, Dresden, Heidelberg, Südwest (Tübingen/Stuttgart mit dem Partner Ulm), WERA (Würzburg mit den Partnern Erlangen, Regensburg und Augsburg) sowie West (Essen/Köln). Künftig soll es gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum die klinische Erforschung neuer Krebs-Diagnose- und Behandlungsverfahren auf internationales Spitzenniveau führen. Am Standort Essen/Köln befassen sich die Wissenschaftler:innen konkret mit zukunftweisenden Schwerpunktthemen, wie etwa der medizinischen Datenwissenschaft, der translationalen Onkologie und der computergestützten Krebsbiologie.

MINT-UNTERRICHT 4.0

Mit Smartphone, Tablet oder Apps lässt sich der MINT-Unterricht spannender gestalten. Beispielsweise motivieren Lernvideos oder Handy-Experimente Schüler:innen zum Lernen. Damit die digitalen Medien didaktisch sinnvoll eingesetzt werden, braucht es entsprechend ausgebildete Lehrkräfte. Passende Fortbildungskonzepte entwickelt bis zum Herbst 2025 der bundesweite Verbund ComeMINT (Communities of Practice MINT). Das Konsortium aus 14 Hochschulen wird von der UDE geleitet und als eines von bundesweit sechs Kompetenzzentren aus Bundes- und EU-Mitteln mit 6 Mio. Euro gefördert.

Biologie, Chemie, Informatik, Mathematik, Physik und Sachunterricht zählen zu den MINT-Fächern. Wie lassen sich mit mobilen Geräten und Tools anspruchsvolle Lehr-Lern-Szenarien für Kinder und Jugendliche gestalten? Welche Kompetenzen brauchen Lehrkräfte hierfür? Wie können diese in der Aus- und Fortbildung vermittelt werden? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich die rund 60 Wissenschaftler:innen befassen. Sie werden Konzepte und Apps für die Primar- und Sekundarstufe entwickeln.

VERTRAUEN IN DIE DEMOKRATIE STÄRKEN

Wie lassen sich Jugendliche für Demokratie begeistern, und wie kann in der EU trotz andauernder Krisen politisches Vertrauen aufgebaut werden? Mit diesen Fragen startet im Frühjahr 2023 das europäische Forschungsprojekt ActEU* unter der Leitung des Instituts für Politikwissenschaft der UDE und der Universität des Saarlandes. Die Einstellung der europäischen Bürger:innen zu politischen Institutionen und deren Legitimität erfasst das Konsortium mit ganz unterschiedlichen Methoden: Internationale Umfragen, experimentelle Interviews und Web-Analysen kommen dafür bei den zwölf EU-Partnern zum Einsatz.

Aufbauend auf den Forschungsergebnissen wollen die Wissenschaftler:innen anschließend konkrete Maßnahmen zur Demokratieförderung für Jugendliche ausarbeiten. Darin sieht der EU-Experte Prof. Michael Kaeding eine große Chance: „Wir werden neues Material für die Lehre an Universitäten und Schulen entwickeln.“ Vor allem mithilfe von Comics soll Demokratie hier greifbar werden. Die möchte Kaeding gemeinsam mit Karikaturist:innen und den EU-Partnern entwickeln und anschließend europaweit in Lehre und politischer Bildung einsetzen. In den kommenden drei Jahren wird das Projekt vom Horizont Europa Programm der EU mit 3 Mio. Euro gefördert, davon gehen 600.000 Euro an die UDE.

* ActEU: Towards a new era of representative democracy – Activating European citizens’ trust in times of crises and polarization

ENERGIE IN EISENFORM

Grün erzeugte Energie in Form von Eisen transportieren: Das ist die Vision eines vom Bundesforschungsministerium mit 1,3 Mio. Euro geförderten Projekts unter der Koordination der UDE. Wasserstoff (H2) ist hochentzündlich, leicht flüchtig und versprödet viele Materialien. Diese Kombination macht den Transport bisher aufwendig. Ein Team um Dr. Rüdiger Deike, UDE-Professor für Metallurgie und Umformtechnik, will das ändern.

Die Idee: An einem Ort mit hoher Sonneneinstrahlung und gut verfügbaren Wasserressourcen, z.B. in Afrika, Australien oder Südamerika, liefern Photovoltaikanlagen elektrische Energie. Diese wird genutzt, um Wasser zu Sauerstoff und H2 aufzuspalten. Durch den Zusatz von Eisenerz (Eisenoxid) soll dann Eisen entstehen, das in Form von Minibriketts oder kugelförmigen Pellets verschifft werden kann. Am Bestimmungsort wird die umgekehrte Reaktion initiiert, um wieder Wasserstoff und Eisenoxid zu erhalten.

Ziel der Ingenieur:innen im auf drei Jahre angelegten Projekt ist es nun zunächst, geeignete Eisenlegierungen zu identifizieren, die möglichst oft und ohne Verlust die chemischen Reaktionen durchlaufen können. Das Projekt Me2H2 Eisen-Dampf-Prozess soll Grundlage sein für die Prozess- und Anlagentechnik im industriellen Maßstab. Neben den UDE-Forschenden sind die Technische Universität Clausthal sowie das Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien Bremen beteiligt. Partner sind die thyssenkrupp Steel Europe AG und die SMS group GmbH.

Koksofen im integrierten Hüttenwerk der thyssenkrupp Steel Europe AG in Duisburg-Bruckhausen: Hier werden flüchtige Kohlenwasserstoffe aus der Kohle entfernt, um Kohlenstoff für den Einsatz im Hochofen zu gewinnen. | © Worldsteel/thyssenkrupp, Germany
WENIGER TREIBHAUSGASE DURCH WASSERSTOFFMOTOREN

Wasserstoffmotoren sind für schweres Gerät wie LKW, Traktoren und Baumaschinen eine emissionssparende Alternative. Wie sie gleichmäßig und effizient laufen können, untersucht eine DFG-Forschungsgruppe unter Leitung der UDE. Mit Beginn des Jahres 2023 erforscht die Gruppe an vier Universitäten, wie sich das Brennverfahren bei wasserstoffbetriebenen Ottomotoren optimieren lässt. In der ersten Förderphase konzentrierte sich der Verbund auf konventionelle Benzin-Kraftstoffe. Ziel der UDE-Ingenieur:innen ist es jetzt, die irregulären Verbrennungsvorgänge und Schwankungen vorhersagen zu können, die beim Betrieb von Wasserstoffmotoren auftreten. „Dann könnten wir geeignete Gegenmaßnahmen entwickeln, um Wasserstoffmotoren in Effizienz und Zuverlässigkeit zu optimieren“, erklärt Sprecher Prof. Sebastian Kaiser vom UDE-Institut für Energie- und Material-Prozesse.

Die DFG unterstützt das Projekt Zyklische Schwankungen in hochoptimierten wasserstoffbetriebenen Ottomotoren: Experiment und Simulation einer Multiskalen-Wirkungskette mit rund 2,8 Mio. Euro, davon gehen 852.000 Euro an die UDE.

KLIMAFREUNDLICHER STAHL

Deutschland ist der größte Stahlproduzent der EU. Rund ein Drittel des von der gesamten Industrie im Land ausgestoßenen Kohlendioxids (CO2) entsteht in Hochöfen. Eine CO2-arme Prozessroute ist zwar in Sicht, sie wird allerdings erst in Jahrzehnten vollständig etabliert sein. Für den Übergang entwickeln Ingenieur:innen unter Koordination der UDE ein Konzept, um entstehendes CO2 zu recyceln. Das Bundesforschungsministerium fördert das Projekt mit 1,2 Mio. Euro.

Die großen Stahlkonzerne stellen künftig auf Direktreduktionsanlagen um. Hier wird zunächst mit Erdgas und später mit Wasserstoff Eisenerz zu Eisen reduziert und anschließend Stahl daraus erschmolzen. Doch bis die entsprechende Infrastruktur komplett steht, wird es dauern. In der Übergangsphase entsteht bei der Direktreduktion hochreines CO2 als Nebenprodukt, das in Hochöfen wiederverwendet werden soll. So wird es in den nächsten 20 bis 30 Jahren ein Nebeneinander des klassischen und des neuen Verfahrens geben. Ingenieur:innen um Projektleiter Prof. Rüdiger Deike vom Institut für Technologien der Metalle entwickeln dafür zusammen mit der thyssenkrupp Steel Europe AG und der TU Clausthal ein Konzept, wie CO2 schon kurzfristig direkt im Prozess recycelt werden kann. Ziel des Projekts NuCOWin ist es, die grundsätzlichen Fragen der Prozess- und Anlagentechnik zur Umsetzung in den industriellen Maßstab zu beantworten.

NEUE THERAPIEN NACH SCHLAGANFALL

Der Schlaganfall gilt weltweit als die zweithäufigste Todesursache. Neben einem Herzinfarkt führt bei Erwachsenen zudem keine andere Erkrankung so häufig zu Behinderungen. In der medizinischen Praxis fehlt es jedoch an zuverlässigen Behandlungsmöglichkeiten. Die von der DFG geförderte Forschungsgruppe ImmunoStroke schafft mit ihrer Forschung zum Immunsystem und zu schlaganfallbedingten Schädigungen im Gehirn eine Grundlage für neue Therapien. Ihr Ziel: Mechanismen und immunologische Wechselwirkungen aufdecken, zu denen es zum Teil lange nach einem Schlaganfall kommt.

In der ersten Forschungsperiode konnte die 2019 gestartete Gruppe bestätigen, dass die untersuchten Immunzellen, T-Zellen und Mikroglia, eine wesentliche Rolle bei der Reaktion des Immunsystems im zentralen Nervensystem nach einem Schlaganfall spielen. Neue Medikamente, die gezielt die Immunzellen in der Schlaganfalltherapie adressieren, können nun entwickelt werden.

Die DFG unterstützt das Vorhaben in der zweiten Förderperiode mit rund 4,5 Mio. Euro, davon bekommt die UDE zwischen 2022 und 2025 etwa 750.000 Euro.

Titelbild: Ingenieur Christoph Abraham prüft eine hochfeste Schraube von 72 mm Durchmesser für eine Windenergieanlage. | © UDE/Dominik Jungbluth