Energieträger, Schadstoffsammler, Lebenselixier, Konfliktverursacher – Wasser ist so vielfältig. All diese Facetten fließen in einem Forschungskolleg zusammen. Von Katrin Koster

Einfach den Hahn aufdrehen und schon fließt sauberes Wasser. In diesem Luxus schwelgen wir oft, ohne nachzudenken. Doch auch in einem wasserreichen Land kann es regional und saisonal zu Engpässen kommen. Und mitunter richtet Wasser viel Schaden an. Wasserwirtschaft ist komplex – ihren vielen Aspekten widmet sich das Forschungskolleg FUTURE WATER.

Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW, besteht das Kolleg seit 2014 und wird vom Zentrum für Wasser- und Umweltforschung (ZWU) koordiniert. Es kombiniert in der Wasserforschung seine Erkenntnisse interdisziplinär und verbindet ingenieurwissenschaftliche, chemische, ökonomische und gesellschaftswissenschaftliche Ansätze. Da der Mensch die flüssige Ressource immer intensiver nutzt, verändern sich Flüsse, Seen und Grundwasser erheblich. Das bringt unterschiedlichste Gefahren mit sich, so wie – bedingt durch den Klimawandel – häufigen Starkregen, aber auch Schadstoffkonzentrationen in Oberflächengewässern. Daher müssen Lösungen ganzheitlich gedacht werden.

28 Promovierende haben im Forschungskolleg FUTURE WATER komplexe Fragen analysiert und sich dazu regelmäßig ausgetauscht: in Kolloquien, bei gemeinsamen Messebesuchen oder der Fortschrittswerkstatt zu Schwerpunkten der Wasserwirtschaft. Vier Projekte laufen aktuell noch.

Frederik Brandenstein | © Foto Bettina Engel-Albustin

Lassen sich erfolgversprechende Strukturen übertragen?

Ein Kollegiat ist Frederik Brandenstein, Jahrgang 1980. Der Politikwissenschaftler hätte früher nicht gedacht, dass er sich mit dem vielfältigen Nass beschäftigen würde. Wissenschaftsmanagement, Verwaltungspolitik und der Wandel unserer Gesellschaft waren seine Themen. Heute schaut er für sein Projekt „Wasserwirtschaftliche Policy-Netzwerke in Nordrhein-Westfalen“ auf die Beziehungen zwischen Politik, Verwaltung, Wirtschaft und öffentlichem Sektor.

„Wir haben rund 11.000 Gemeinden in Deutschland – da liegt es auf der Hand, dass das, was in der einen gut funktioniert, in der anderen noch längst nicht Standard ist.“ Brandenstein bringt direkt ein Beispiel: „Eine klimasensible Stadt wie Wuppertal ist in der Verwaltung anders aufgestellt als etwa eine kleine Kommune am Niederrhein.“ Und jede habe andere Grundvoraussetzungen: Die eine hat vielleicht bereits renaturierte Gewässer, die andere viele versiegelte Flächen, die nächste erlebt häufiger Hitzewellen. Wie lassen sich Klimamaßnahmen trotzdem überall umsetzen – und das regional passend? Und wer bezahlt das? Eine komplexe politische und administrative Aufgabe, bei der viele Interessen zusammenkommen. Nutzungsansprüche treffen auf Risikovorsorge und die jeweilige Wasserinfrastruktur. Schwer abzuschätzen sind auch demographische, klimatische und urbane Entwicklungen der einzelnen Regionen.

Brandenstein weiß, wie politische und administrative Lösungen zustande kommen. Was er am Kolleg lernt, sind wasserwirtschaftliche Strukturen, ebenso wie die bauliche Lenkung von Regenwasser oder die Gefahrenabwehr. „Katastrophen entstehen oft durch eine Verkettung verschiedener Umstände – etwa beim Ahrhochwasser. Es traf Gemeinden, die nie gedacht hätten, dass sie zerstört werden.“

Er will herausfinden, wie lösungsorientiert Netzwerke arbeiten und wie sie politisch gesteuert werden können. Dafür sichtet der Wissenschaftler Dokumente, führt Interviews und erstellt eine Befragung.

Gelingt ein geschlossener Wasserkreislauf?

Kollegiatin Juliane Bräcker, Jahrgang 1984, richtete ihren Kompass früh Richtung Wasser aus: Sie studierte Water Science an der UDE und ist sich im Klaren darüber, „dass Herausforderungen auf die Wasserwirtschaft zukommen, selbst wenn sie hierzulande gut aufgestellt ist.“ Für viele sei Wasser bisher etwas, das aus dem Hahn kommt und wieder verschwindet.

Doch wohin und was passiert dann? Schwerpunkt ihrer „Konzeptstudie zum Aufbau eines regionalen Wasserkreislaufs“ ist das Aufbereiten und Wiederverwerten der Ressource, um die Oberflächengewässer zu entlasten. Die Wasserrahmenrichtlinie fordert einen „guten Zustand“ aller Oberflächengewässer bis 2027. Bräckers Ansatz geht noch weiter: Lässt sich der Kreislauf schließen – vom kommunalen Abwasser bis hin zum Brauch- bzw. Trinkwasser? Die vierte Reinigungsstufe, Medikamentenrückstände oder der Schad- stoffeintrag gehören ebenso zu ihrem Vokabular wie Geologie oder die Siedlungsstruktur. Es geht um technische, ökologische und (sozio-)ökonomische Auswirkungen.

Wasserchemikerin Juliane Bräcker | © Foto Bettina Engel-Albustin

Auch sie steht nicht im Labor, sondern analysiert internationale Prozesse, Qualitätsparameter und weitere Bedingungen aus großtechnischen Anlagen zur Wasserwiederverwendung. Dabei schaut sie auf Länder wie Namibia oder die USA, die hier schon weiter sind. Mit der Emschergenossenschaft wird ein Gebiet als Fallbeispiel für NRW untersucht. Bräcker erforscht, wie Kanalisation und Aufbereitung gestaltet sein müssen und sich das Konzept schließlich auf andere Regionen übertragen lässt.

Zeithorizont hierbei: mindestens 50 Jahre. Das bedeutet, dass der Übergang in ein modernes System mitgedacht werden muss. Schwierig sei etwa, den Wasserbedarf in einigen Jahrzehnten vorauszusagen. „Unser Wasserverbrauch ist in den vergangenen Jahrzehnten gesunken und die Mengen, die in der Industrie genutzt werden, sind schwer zu prognostizieren.“ Klingt kompliziert und zugleich faszinierend. Sie ist sich sicher: „Egal, was da kommt, wir sind am Puls der Zeit und gemeinsam mit den anderen am Kolleg werden wir helfen, die Wasserwirtschaft an der einen oder anderen Stelle neu zu beleuchten.“

Bei all dem Fachwissen – trinkt sie selbst Leitungswasser? „Es gibt nichts Besseres“, sagt Bräcker, allerdings mit einer Einschränkung: „Man sollte das Wasser immer so lange ablaufen lassen, bis es richtig kalt ist – dann kommt beste Qualität ins Glas oder in die Tasse.“