Noch ist 5G im Mobilfunk das Maß aller Dinge und die Umstellung in vollem Gang. Gleichzeitig wird bereits an 6G gearbeitet. So auch an der UDE. Von Thomas Wittek

Mit jedem neuen Mobilfunkstandard war das Versprechen auf schnellere Übertragung, bessere Qualität und neue Anwendungen verbunden. Was folgte, war aber meist kein großer technologischer Sprung, sondern eher eine schrittweise Verbesserung. Die nächste magische Zahl heißt 6G. Forschende an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der UDE sind maßgeblich an der Entwicklung der neuen Technologie beteiligt. Wird jetzt alles anders?

„Die ungeraden Zahlen taugen nichts“, sagt Prof. Dr. Thomas Kaiser mit einem Augenzwinkern. Der Leiter des Instituts für digitale Signalverarbeitung forscht zusammen mit Prof. Dr. Andreas Stöhr vom Zentrum für Halbleitertechnik und Optoelektronik und einer Gruppe von Kolleg:innen an der neuen Übertragungstechnik, die im hochfrequenten Terahertzbereich funken wird. Die wirklichen Quantensprünge hätten die Mobilfunkstandards mit den geraden Zahlen gebracht, also 2G und 4G. Auch von 6G versprechen sich die Forschenden viel.

Zum einen wird die Menge der übertragenen Daten um ein Vielfaches höher liegen. „Mit 5G sollen ein bis zehn Gigabyte pro Sekunde möglich werden“, erklärt Stöhr. „Mit der neuen Technologie peilen wir bei 6G ein Terabyte pro Sekunde an, also das Tausendfache der jetzigen Übertragungsrate.“ Zum anderen wird die Verzögerung deutlich kürzer sein, was bedeutet, dass die Übertragung schneller beginnt als bisher. Dauert es heute etwa 20 Millisekunden, so soll die Latenz bei 6G nur noch eine Millisekunde betragen. Das ist eine Reaktionsschnelligkeit, die der des Menschen entspricht. „Alle Anwendungen sind damit künftig in Echtzeit möglich. Das ist schon eine kleine Revolution“, so Kaiser.

Damit wäre die Voraussetzung geschaffen, um vielen heiß diskutierten Zukunftstechnologien zum Durchbruch zu verhelfen, zum Beispiel dem selbstfahrenden Auto. Das ist eines von sechs Anwendungsfeldern für 6G, die derzeit von den Forschenden genauer untersucht werden. Die anderen fünf sind die Fabrik, die Logistik, die Rettungsrobotik, der Operationssaal und das Gaming. Spannend dabei: Die extrem hohen Frequenzen von 6G erlauben nicht nur die schnelle Übertragung großer Datenmengen, sondern mit ihnen lassen sich zum Beispiel auch Räume vermessen oder Objekte und Gesten erkennen. Letzteres geht heute auch schon, aber nur mit Hilfe von zusätzlichen Geräten wie Kameras, Datenhandschuhen oder Trackinggeräten.

Was mit dieser Kombination möglich wird, will das Team in den kommenden Jahren gemeinsam mit dem Duisburger Hafen und dem Essener Universitätsklinikum unter realen Bedingungen erforschen. Es sollen zwei Testfelder entstehen, die Teil eines größeren 6G-Hubs sind, an dem neben der UDE die RWTH Aachen, die die Koordination hat, die Ruhr-Universität Bochum, die TU Dortmund sowie drei Fraunhofer-Institute und ein Max-Planck-Institut beteiligt sind. Der Hub ist einer von vieren bundesweit und wird vom Bundesforschungsministerium bis 2025 mit 43 Millionen Euro gefördert. In den nächsten Jahren sollen 700 Millionen Euro in die Erforschung und Erprobung von 6G fließen, davon 250 Millionen an die Universitäten. „Mit dieser hohen Summe haben wir die Chance, dass Deutschland bei einer wichtigen Zukunftstechnologie endlich wieder ganz vorn dabei ist“, freut sich Kaiser.

Terahertz schon lange Forschungsschwerpunkt

Die Ingenieurwissenschaftler:innen aus der Elektrotechnik und Optoelektronik an der UDE beschäftigen sich seit zehn Jahren mit der Terahertztechnologie. Mit der Entwicklung eines mobilen Detektors, der mit den hochfrequenten Funkwellen Materialien analysieren und Objekte lokalisieren kann, wurde hier in einem von der DFG geförderten Sonderforschungsbereich* die Grundlage für die Arbeiten an 6G gelegt. An der UDE werden jetzt unter anderem die Komponenten für die neue Sende- und Funktechnologie entwickelt. „Wegen der hohen Frequenzen müssen die Wellen zu einem dünnen Strahl gebündelt werden, um größere Distanzen überwinden zu können“, beschreibt Stöhr die Herausforderung. „Uns ist es gelungen, einen Chip zu entwickeln, der einen solch gebündelten Strahl nicht nur erzeugen, sondern auch die Abstrahlrichtung steuern kann. Der Chip arbeitet außerdem nicht mit einer elektronischen, sondern mit einer optischen Steuerung. Weltweit waren wir damit die ersten.“

Im Duisburger Hafen soll die Technik die Logistik optimieren:
So soll etwa ein teilautomatisierter Hafenkran selbstständig Containerschiffe be- und entladen. Die exakte Lokalisierung der Container auf Zügen und LKW wird durch 6G ohne zusätzliche Sensoren möglich sein. Für das Universitätsklinikum in Essen sind Anwendungen im Bereich Extended Reality geplant. Eine Datenbrille soll Ärzt:innen im Operationssaal die Arbeit erleichtern, indem Vitaldaten, hochauflösende 3D-Bilder oder nächste Arbeitsschritte und dazu passende Instrumente in Echtzeit eingeblendet werden, sobald sie ihren Blick auf die entsprechende Stelle des Patienten oder der Patientin richten.

Der Zeitplan ist ambitioniert: Schon in drei Jahren sollen die Lösungen anwendungsreif sein. Stöhr und Kaiser sind optimistisch, das zu schaffen. Bis auch normale Smartphones auf 6G laufen, wird es ein bisschen länger dauern. „Der übliche Entwicklungszyklus bei neuen Mobilfunkstandards sind acht bis zehn Jahre“, so Kaiser. „2030 ist also realistisch.“

* SFB/TR 196 MARIE: Mobile Material-Charakterisierung und -Ortung durch Elektromagnetische Abtastung